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Fallbeispiel Medikationsanalyse: Lösung Teil 3

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„Einfache“ Medikationsanalyse am Fallbeispiel / Der Lösung 3. Teil

(Den Fall und den Beginn der Diskussion zwischen Rena Clear und Distrib Volum finden Sie hier, den ersten Teil der Überlegungen  zur Lösung und den zweiten können Sie natürlich auch nachlesen.
Dr. Kinet, erfahrene Apothekerin und  Spezialistin für Pharmakokinetik, kommt von der Visite zurück ins Büro von Apothekerin Rena Clear und PhiP Distrib Volum.
Dr. Kinet: Guten Morgen zusammen. Wie steht es mit der Medikationsanalyse bei der Patientin mit der langen Medikationsliste?
Clear: Guten Morgen, Dr. Kinet. Wir sind schon ganz schön weit gekommen, aber jetzt brauchen wir mal Information zu den Beschwerden der Patientin, damit wir konkret was sagen können. Sie haben sie doch gerade gesehen?
Dr. Kinet: Ja, genau. Der Patientin geht es immer noch nicht besonders gut. Sie fühlt sich kraftlos, antriebslos, schwach, schafft es kaum die Treppe hoch, wenn sie unten in der Ladenzeile war und bekommt dann Atemnot.
Volum: Ist sie auch blass? Dann vermuten wir eine Anämie. Entweder durch Vitamin B12- oder Folsäuremangel oder aber durch Ulkusblutung, weil sie so viele gerinnungshemmende Medikamente bekommt.
Dr. Kinet: Ja, blass ist sie auch, und ein Magenulkus gibt es in der Anamnese. Aber sie nimmt doch nur ASS 100, oder?
Volum: Mit der Intention der Thrombo-Hemmung nimmt sie nur ASS 100, das stimmt, aber auch der SSRI und die Valproinsäure hemmen die Gerinnung, das addiert sich alles.
Clear: Wir brauchen das Blutbild der Patientin: Wenn es wirklich eine Anämie ist, dann würde eine akute Blutung normochrom auftreten, also mit normalem MCH, die vermutete Mangelanämie hyperchrom, also mit erhöhtem MCH.
Dr. Kinet: Sehr gut! Im Laborbericht stand tatsächlich eine normochrome Anämie. Was schlagen Sie denn vor?
Clear: Gegenfrage: Kennen Sie die kardiovaskulären Diagnosen?
Dr. Kinet: Nur Hypertonie.
Volum: Dann gibt es gar keine Indikation für ASS, das muss sofort abgesetzt werden. Und es wäre natürlich gut, wenn man auch die beiden anderen Auslöser pausieren könnte.
Clear: Der PPI sollte dann erstmal weiter so hoch dosiert werden, bis die Blutung aufgehört hat. Was aber geklärt werden muss, ist die Einnahme. Damit es wirken kann, muss das Omeprazol auf nüchternen Magen eingenommen werden. Wir vermuten, dass die Patientin das bisher nicht richtig macht, weshalb die Dosis so hoch gesetzt und das Sucralfat dazu kombiniert wurde. Wenn sich die akute Situation beruhigt hat, kann Sucralfat vielleicht abgesetzt und der PPI auf 20mg/d reduziert werden.
Volum: Dann ist evtl. auch die Obstipation nicht mehr so stark. A propos hohe Dosis: Uns ist aufgefallen, dass die Paracetamoldosis grenzwertig hoch ist und ein erhebliches Fehlerpotenzial durch die Doppelverordnung besteht. Das erscheint uns gefährlich, auch weil die Valproinsäure zusätzlich lebertoxisch ist. Da sollte wohl die Schmerzmedikation geändert werden.
Dr. Kinet: Die Patientin hat anhaltende Gesichtsschmerzen, und die Diagnostik hat nun gerade ergeben, dass es sich um eine Trigeminusneuralgie handelt.
Clear: Dann wäre Carbamazepin der Valproinsäure vorzuziehen. 90% der Patienten sprechen initial auf 200-400mg/d an, und dann ist der Bedarf an Analgetika hoffentlich auch mindestens geringer.
Dr. Kinet: Gut, die erste Priorität hat also das Absetzen von ASS, die korrekte PPI-Einnahme und die Vermeidung einer Paracetamol-Überdosierung, am besten Verzicht auf die Doppelverordnung. Danach ist die Einstellung der Analgetika- und Co-Analgetika-Therapie dran. Später dann die Reduktion der Ulkustherapie auf das notwendige Maß. Habt ihr noch mehr gefunden?
Volum: Bei den Analgetika ist auch noch wichtig, dass das Paroxetin die Wirkung von Codein herabsetzt. Vielleicht erledigt sich das aber durch die Umstellung. Und das Pioglitazon ist nicht so gut bewertet, da könnte man auf einen Sulfonylharnstoff wechseln, nach Forta-Liste am besten einen der 3. Generation wie Glimepirid. Immerhin hat die Patientin keine Herzinsuffizienz, sonst wäre der Wechsel dringender.
Clear: Und es wäre wichtig, ein paar Laborwerte zu monitorieren. Wenn die Valproinsäure abgesetzt wird, entfällt schon einiges, aber für den ACE-Hemmer ist eine jährliche Prüfung von Na, K und der Nierenfunktion nötig. Dann ist natürlich die Überprüfung der Blutdruck- und Blutzuckereinstellung wichtig und ggf. Anpassung der Therapie.
Dr. Kinet: Ok, das sehe ich auch so. Das Monitoring und die antidiabetische Therapie sparen wir uns für später, aber die Hinweise zum ASS, der PPI-Einnahme und Risiko durch Paracetamol, das geben Sie mal gleich an die Ärzte weiter.
Clear und Volum: Alles klar, machen wir.
 

Zwei Stunden später, in der Mittagspause:

Dr. Kinet: Na, wie war die Resonanz auf die Hinweise?
Volum: Sehr gut, ASS ist gestrichen, beim PPI ein Vermerk, dass es mindestens 30min vor dem Frühstück genommen werden soll, und mit den Analgetika sind sie noch am Überlegen, haben aber zumindest die regelmäßige Paracetamoldosis auf 1x täglich reduziert. Außerdem soll tatsächlich von Valproinsäure auf Carbamazepin gewechselt werden, und dann muss man sehen, was noch an Analgetika benötigt wird.
Clear: Wir konnten auch einen Blick auf die Blutdruck- und –zuckerwerte werfen, die sahen ganz gut aus.
Dr. Kinet (strahlend): Das haben Sie wirklich gut und umfassend analysiert, und deutlich über eine einfache Medikationsanalyse hinaus – prima!
Volum (grinst): Na ja, wir haben auch das Kollegen-Netzwerk um Ideen gebeten. Das hat uns gute Hinweise gegeben.

THE END

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