Der Baum nadelt!
© Tyler Olson | stock.adobe.comJetzt ist die Zeit, da die Ersten ihre Weihnachtsbäume erwerben und sie im Garten ihre Zweige entfalten lassen, damit zum Heiligabend die volle Weihnachtsbaumform erreicht ist.
Cave!
Damit dann nicht alle Nadeln draußen bleiben und nur noch ein Zweiggerüst drinnen die Kerzen trägt, gilt es ein paar Maßnahmen zu treffen, die dankenswerter Weise kürzlich in den „Frontiers of Plant Science veröffentlicht wurden. Dieses Thema ist so wichtig, dass Sie mir bitte nachsehen, dass die Klinische Pharmazie heute ein bisschen kurz kommt.
In der erwähnten Veröffentlichung beschreiben Lada und MacDonald ihre Ergebnisse zur nacherntezeitlichen Nadelabtrennung der Balsamtanne (Abies balsamea).
Sie postulieren einen S-förmigen Verlauf für das Ausmaß der Nadelabtrennung über die Zeit nach der Baumernte, den gänzlich aufzuhalten vermutlich nicht möglich sei, wohl aber, ein transientes Zwischenplateau der Nadelretention zu erreichen (s. Abb. 1 in der Originalpublikation).
Der wichtigste Faktor für die Vermeidung einer ‚post-harvest‘ Nadelabtrennung scheint die Kälteakklimatisierung vor der Ernte zu sein, die notfalls in Ermangelung von natürlich Kälte auch künstlich zugeführt werden könne. Der zweite Faktor ist die Photoperiode vor der Erntezeit, die invers mit der Nadelretentionszeit korreliert ist. Es ist daher ratsam, die Tanne nicht bereits im Sommer zu ernten, weil die Photoperiode dann noch lang ist. Es sei eingeschoben, dass beides selten im Einflussbereich des Anwenders liegt, da diese Maßnahmen bereits in der Baumschule erfolgen müssen. Fragen Sie Ihren Weihnachtsbaumverkäufer, er wird Ihnen gern Auskunft geben.
Nach der Ernte ist es hauptsächlich die Wasserversorgung, die die Nadelabtrennung beeinflusst. Eine frisch geschlagene Tanne benötigt 0,15–0,20 ml Wasser pro Gramm und Tag. [Der Bezug auf das Tannengewicht folgt hierbei sicherlich pragmatischen Gründen, da die Tannenoberfläche deutlich aufwändiger zu bestimmen wäre; Anm. der Verfasserin.] Dieser Bedarf sinkt jedoch binnen zwei Wochen auf etwa 0,05ml pro Gramm und Tag infolge einer Abnahme der Wasserleitungsgeschwindigkeit innerhalb der Tanne. Die Ursachen sind noch nicht genau bekannt, postuliert werden Kavitation, Embolie, Dysfunktion der Spaltöffnungen, bakterielle Kontamination und Blockade von Xylemgefäßen.
Die Abnahme der Wasserqualität im Weihnachtsbaumständer scheint einer der wichtigsten Faktoren in der Hand des Anwenders zu sein. Regelmäßiger Wasserwechsel schützt vor vorzeitiger Nadelabtrennung. In der Erprobung sind Ständervorrichtungen mit simulierten Wurzel-Drucksystemen, die die intra-abietische Wasserleitung mit positivem Druck unterstützen, und Antitranspirantien, die den Wasserverlust über die Spaltöffnungen vermindern.
Weitere Einflussfaktoren sind Ethylen und andere Pflanzenhormone, die bei Stress produziert und ausgeschüttet werden, und die die Nadelabtrennung beschleunigen. Achten Sie daher darauf, dass Ihr Baum beim Transport keinem Schüttel- oder anderen Stressarten ausgesetzt wird.
Lada und Mac Donald beschreiben in ihrer Arbeit einen postharvest needle abscission pathway, der jedoch an etlichen Stellen noch hypothetisch ist. Weitere Forschung ist definitiv nötig, um eine evidenzbasierte Leitlinie zur Vermeidung der Nadelabtrennung bei Weihnachtstannen zu erstellen.
Trotzdem konnte ich Ihnen hoffentlich einige praktische Hinweise zur Handhabung Ihres Weihnachtsbaumes geben.
Mit den besten Grüßen,
Ihre
Dorothee Dartsch
Quelle:
RR Lada, MT Mac Donald: Understanding the Physiology of Postharvest Needle Abscission in Balsam Fir. Front Plant Sci. 2015; 6: 1069
Bild: © Tyler Olson / Fotolia.com
Der selbst bei einer Sanacorp Veranstaltung geschlagene Tannenbaum befindet sich noch in der Experimentiellen Phase auf der Terrasse unseres Hauses im Weserbergland ( hierbei sollen Höhenluft und Nähe zur Weser bei primärer Betrachtung nicht relativiert werden)
Einen schönen vierten Advent, Martin
Hoffentlich gab es keinen Schüttelstress beim Transport! 😉
Mich würde noch interessieren, ob der Einsatz von Glycerin bzw. Zuckerwasser (was ja von Chemiegegnern bevorzugt wird) sich tatsächlich auf die Nadelretentionszeit auswirkt. Wurde dies in der Studie untersucht. Ansonsten sage ich dem Campus-Pharmazie Team herzlichen Dank für viele nützliche Infos und wünsche allen ein schönes Weihnachtsfest.
Nein, keiner der beiden Zusätze wird erwähnt – leider. Ethylen scheint eine zentrale Rolle zu spielen, wenn auch eine negative hinsichtlich der Nadelretention. Aber die Autoren zeigen selbst auf, wie groß der Forschungsbedarf noch ist. Die genannten Maßnahmen gehören sicherlich dazu.
Herzliche Grüße!