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Fallbeispiel: Akuter Myokardinfarkt

Fallbeispiel

Patient, 72 Jahre, leichtes Übergewicht, altersgerechte Nierenfunktion. Anamnese: Nicht-valvuläres Vorhofflimmern, erster Myokardinfarkt 15 Jahre zuvor, Perkutane Koronarintervention 1 Jahr zuvor mit Implantation eines Sirolimus freisetzenden Stents, erfolgreich durchgeführte Kardioversion in diesem Jahr. Nun erlitt der Patient einen zweiten Myokardinfarkt.

Aktuell verordnete Medikation:

  • Clopidogrel 1-0-0
  • Phenprocoumon mit INR 2,5
  • Dronedaron 1-0-1
  • Atorvastatin 0-0-1
  • Enalapril 5 1/2-0-1/2

Frage: Sollte die gerinnungshemmende Therapie so durchgeführt werden?

Sie sind herzlich eingeladen, das Kommentarfeld nutzen, um zu dieser Frage Stellung zu nehmen. Eine Antwort finden Sie hier.

14 Gedanken zu „Fallbeispiel: Akuter Myokardinfarkt“

  1. „Sollte die gerinnungshemmende Therapie so durchgeführt werden?“
    Ich gehe mal davon aus, dass die „aktuelle Medikation“ die Medikation zum Zeitpunkkt des zweiten Infarktes ist, oder? Oder ist das die Medikation nach der Entlassung aus dem KH nach dem Infarkt?
    Nach den ESC- Empfehlungen braucht der Patient für sein Vorhofflimmern unbedingt eine Antikoagulation. Für seinen drug elution Stent (DES) empfiehlt die NVL- KHK die Gabe von CLopidogrel plus ASS für mindestens 6- 12 Monate. ASS sollte nach Absetzen des Clopidogrels bei dieser Risikokonstellation lebenslang weiter genommen werden um eine Stentthrombose zu verhindern. Der Stent wurde vor einem Jahr implantiert. Was hat der Patient bis zu sechs Monaten nach der Implantation genommen?
    Führt man nun die beiden Indikationen zusammen, so ergibt sich die Triple-Therapie mit dem bekannten erhöhten Blutungsrisiko. Die NVL-Leitlinie empfiehlt diese Therapie patientenindividuell unter Einbeziehung der individuellen Risikofaktoren durchzuführen. Der INR sollte jedoch im unteren Bereich bei 2,0 bis maximal 2,5 gehalten werden. Allerdings hätte der Patient keinen DES sondern einen Bare metal Stent (BMS) erhalten sollen.
    Bezüglich dieser Risikokonstellation stellt sich nun die Frage, ob dem Patienten mit den neuen Antikoagulantien Rivaroxaban, Apixaban oder Dabigatran nicht besser gedient wäre. Die ESC hält sie für gleichwertig bis besser gegenüber der Vitamin K Antagonisten.
    Mittlerweile gibt es Studien mit Rivaroxaban beim ACS und Myocardinfarkt. (COMMANDER-HF, ATLAS-ACS-2). Wenn ich die Ergebnisse richtig verstehe, könnte es wohl möglich sein, den Patienten mit einem Gerinnungshemmer (Rivaroxaban) für beide Indikationen zu behandeln. Damit wäre das erhöhte Blutungsrisiko unter der Triple-Therapie entscheidend gesenkt. 😉

    1. Lieber Herr Christmann,
      in den Studien COMMANDER-HF und ATLAS-ACS-2 wird bzw. wurde Rivaroxaban gegen Placebo additiv zur dualen Therapie mit ASS und Clopidogrel getestet. Wir würden damit also leider auch nicht bei einer Monotherapie landen, auch wenn das für die Adhärenz so wünschenswert wäre 😉
      Viele Grüße,
      Dorothee Dartsch

      1. So bevor nun die „Auflösung“ kommt, will ich mich mal festlegen.
        Nach Entlasung aus dem KH sollte der Patient folgende gerinnungshemmende Therapie erhalten:
        Clopidogrel 75 mg 1x tgl.
        Ass 100mg 1x tgl.
        Rivaroxaban 20 mg 1 x tgl.
        Nach einem Jahr, Wegfall von ASS100.
        Begründung: Durch das Vorhofflimmern und den Myocardinfarkt hat der Patient ein mehrfach erhöhtes Risiko weitere thrombo embolische Ereignisse zu erleben. Deshalb sollte nun, sofern keine Kontraindikationen vorliegen, eine kombinierte Antikoagulation in Form einer Triple Therapie begonnen werden. (Von einer Bypss Operation ist ja nichts gesagt….) Eine ganz wesentliche Kontraindikation wäre eine Ulcus Erkrankung. Das ist auch der Grund, warum ich nach einem Jahr das ASS zu Gunsten des Clopidogrels absetzen würde. Ich habe mich für Rivaroxaban entschieden, weil dieser Stoff eine kurze Halbwertszeit hat und in der Rocket AF Studie zwar eine höhere Rate an intrakraniellen Blutungen gegenüber Marcumar hatte, diese aber auf sehr niedrigem Niveau waren. Hier war für mich die kürzere Halbwertszeit der entscheidende Faktor, um im Falle der Blutungskomplikation hier einen schneleren Wirkungsverlust zu haben.

  2. Hallo,
    empfohlen wird die duale Antikoagualation in der Regel bei DES nur 12 Monate.
    Von daher wäre eine Monotherapie mit Marcumar angezeigt. Der zweite Infarkt würde mich allerdings auf die Idee bringen, einen Gentest zu machen – vielleicht hat Clopidogrel nicht gewirkt? (poor metabolizer) Dann wäre auch die in der Regel klinisch nicht relevante Wechselwirkung mit dem Statin zu bedenken…..Und gleich kann ich das zweite Türchen öffnen 🙂

  3. Laut aktuellen Guidelines hätte nach der PCI mit Setzen eines beschichteten Stenz aufgrund länger andauerndem Thromboserisikos eine duale Plättchenhemmung mit ASS und Clopidogrel erfolgen sollen und zwar sicher für 1 Jahr (ASS + Clopidogrel). Anschliessend lebenslang Aspirin 100mg/d.
    Da nun ein Rezidiv erfolgte, ist klar, dass ein Plättchenhemmer weiter gegeben muss um weitere ischämischer Ereignisse zu verhindern.
    Ich habe gelesen dass der CYP2C19 Genotyp keinen so starken Einfluss hat auf die Clopidogrel Wirksamkeit – die Datenlage ist nicht ganz eindeutig. Es wird ja auch nur ein Teil des Prodrugs durch CYP2C19 zur aktiven Substanz umgewandelt. Allerdings ist ASS eigentlich Mittel der Wahl zur lebenslangen Plättchenhemmung nach beschichteten Stents – lediglich bei Unverträglichkeit geht man auf Clopidogrel.
    Ein VKA scheint mir aufgrund des bestehenden nicht-valvulärem Vorhofflimmern korrekt – man könnte sicherlich in Betracht ziehen, ob Rivaroxaban für den Patienten angenehmer wäre aufgrund dessen, dass kein Monitoring nötig ist.

  4. Liebe Frau Röthlin, liebe Frau Pflug, lieber Herr Christmann,
    ganz herzlichen Dank für Ihre Beiträge und den Bezug auf die Leitlinien. Genau die brauchen wir hier. Und stehen auch gleich vor dem Problem, nicht mit einer einzigen auszukommen, sondern mehrere miteinander kombinieren zu müssen. Gefällt mir gut, was ich da bis jetzt schon lese! 🙂 Wer mag, schlate sich gerne ebenfalls mit ein, bevor am 4.12. ein zusammenfassender Kalenderbeitrag erscheint.
    Mit kollegialen Grüße,
    Dorothee Dartsch

  5. Liebe Kollegen,
    allerdings wird bezüglich der NOAK immer noch Zurückhaltung empfohlen, weil es kein Antidot gibt. Ich habe zu wenig Erfahrung mit diesen neuen Wirkstoffen. Es gibt wohl auch erste Empfehlungen, wie man im Notfall bei diesen Patienten vorgeht.
    Empfohlen wird NOAK-Therapie aber wohl vor allem für Patienten mit stark schwankenden INR-Werten – ist das bei diesem Patienten der Fall?
    Außerdem bin ich über das Dronedaron gestolpert, da gab es doch den Abbruch der PALLAS-Studie und einen Rote-Hand-Brief in 2011 wegen kardiovaskulärer Ereignisse und Leberproblemen.
    Gruß
    Constanze Schäfer

    1. Hallo Frau Schäfer,
      dieses Argument mit dem Antidot höre ich auch immer wieder…. Allerdings habe ich das pharmakologisch nicht verstanden. Wenn dieses Argument fällt, wird als Antidot von Marcumar immer Vitamin K genannt. Wie lange braucht denn dieses Antidot um die Wirkung von Marcumar zu antagonisieren? Wenn ich das mit den Halbwertzeiten und den anderen Parametern ausrechne, müsste es bei Vitamin K ca. 12 Stunden dauern, bis der INR sich normalisiert. (Sonst kann man nur noch PPSB geben. Bei Rivaroxaban müsste PPSB doch auch helfen, oder?)
      Diese Zeit brauchen auch die NOAK! Vor allem die kürzer wirksamen Rivaroxaban und Apixaban. Oder habe ich da was falsch verstanden?
      p.s. Es sind sogar Antidote in gegen die NOK in der Pipeline…… (PER977)

      1. Hallo Herr Christmann,
        im Wirkstoffprofil wird bei Konakion sogar bis zu 24 Stunden Dauer angegeben, bis der INR sich wieder stabilisiert. Wie gesagt, ich habe da ungenügend Erfahrung, warum genau bei den NOAK das so deutlich immer wieder genannt wird (der Preis könnte natürlich eine Rolle spielen, wobei man natürlich auch ausrechnen müsste, wie häufig bei Marcumar und wie häufig bei den NOAK behandlungs- oder sogar krankenhausbehandlungsbeürftige Fälle auftreten.
        PER977 werde ich ir mal anschauen, davon habe ich noch nichts gehört …
        Grüße
        Constanze Schäfer

        1. Der Kostenaspekt spielt sicherlich auch eine Rolle. Pharmakoökonomische Studien gibt es dazu noch nicht. Aber klar ist natürlich, dass einfach nur ein Vergleich der Arzneimittelkosten zu kurz gesprungen sein wird. Einen Eindruck davon gibt der Artikel von J Biskupiak et al. (s. Tür #3).

          Bei schweren Blutungen unter VKA gibt man Vit K iv, dann dauert es nur 12h. Dafür besteht dann das Risiko die INR zu weit zu senken. Schnleer geht es mit Prothrombinkomplex-Konzentrat oder rFVIIa. Eine überschießende Wirkung von Dabigatran und Rivaroxaban lässt sich vermutlich ebenfalls mit Prothrombinkomplex-Konzentrat oder rFVIIa in den Griff bekommen, aber dafür fehlen noch ausreichend große Studien, und die sinkende INR korreliert im Fall der NOAKs nicht immer mit einem Stillen der Blutung. Aber es sollen spezifisch ansetzende Antidote in der Entwicklung sein, das habe auch ich gehört.

          Für eine gute Übersicht zum Thema Aufhebung der Wirkung von Antikoagulanzien s. JL Thigpen und NA Limdi: Reversal of Oral Anticoagulation. Pharmacotherapy 2013;33(11):1199–1213

          Viele Grüße,
          Dorothee Dartsch

    2. …richtig erinnert, liebe Kollegin 🙂
      Pallas wurde vorzeitig beendet, und seitdem soll Dronedaron nicht bei Herzinsuffizienzpatienten und bei bestehenden Alternativen auch nicht bei permanentem VHF eingesetzt werden. Der zurückhaltende Einsatz von Dronedaron wird auch hier beschrieben: http://www.akdae.de/Arzneimitteltherapie/WA/Archiv/Dronedaron.pdf. Aber die Leitlinien (auch die aktuellen) nennen es als mögliche Option, und insofern ist es durchaus möglich, dass es im geschilderten Fall korrekt eingesetzt ist. Da braucht es dann mehr Details, um diese Frage zu beantworten.
      Es grüßt
      Dorothee Dartsch

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