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Antihypertensiva abends einnehmen!

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Hypertonie, der “stille Killer”, ist der wirksamste vermeidbare Risikofaktor für vorzeitigen Tod und Morbidität. Eine große Studie aus Spanien zeigt, dass Hypertonie-Patienten ihre Antihypertensiva mit Ausnahme von Diuretika lieber zur Nacht als nach dem Aufwachen einnehmen sollten.

Wie wurde die Studie durchgeführt?

Über 19.000 Studienteilnehmer wurden via 40 Arztpraxen in zwei Gruppen randomisiert. Die eine erhielt die Anweisung, ihre Antihypertensiva abends zu nehmen, die anderen sollten dies morgens tun. Die Studienteilnehmer waren im Schnitt 61 Jahre alt, 56% waren männlich, 43% waren übergewichtig, 24% hatten Typ 2-Diabetes, 29% eine chronische Niereninsuffizienz und 10% hatten zuvor ein unerwünschtes kardiovaskuläres Ereignis gehabt. 53% nahmen einen AT2-Blocker, 25% einen ACE-Inhibitor, 33% einen Calciumkanalblocker, 22% einen Betablocker und 47% ein Diuretikum. Monotherapien bestanden am häufigsten aus ACE-Inhibitoren oder AT1-Blockern, Zweierkombinationen aus einem ACE-Inhibitor oder AT1-Blocker und einem Diuretikum oder Calciumkanalblocker.

Was hat die Studie ergeben?

Innerhalb eines mittleren Beobachtungszeitraums von 6 Jahren war das relative Risiko, ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis (z.B. Herzinfarkt oder Schlaganfall) zu erleben, in der „Abendgruppe“ um 45% geringer als in der Morgengruppe. Das absolute Risiko für ein „Event“ (Herzinfarkt, Revaskularisierung, Herzinsuffizienz, Schlaganfall oder Tod aufgrund eines solchen Vorfalls) während der Beobachtungsdauer betrug in der Gesamtgruppe 9%.

In der “Abendgruppe” lag das als Hazard Ratio gemessene Risiko für den Eintritt eines Events insgesamt bei 0,55 (95% Konfidenzintervall 0,50 – 0,61 (adjustiert für Alter, Geschlecht, Typ 2-Diabetes, chronische Niereninsuffizienz, Rauchen, HDL-C, nächtlichen systolischen Blutdruck, Tag-Nacht-Differenz des systolischen Blutdrucks und vorangegangen kardiovaskuläre Ereignisse).

Das Hazard Ratio für die einzelnen Events lag in der „Abendgruppe“ bei 0,44 (0,34-0,56) für kardiovaskulär bedingte Todesfälle, 0,66 (0,52-0,84) für Herzinfarkt, 0,6 (0,47-0,75) für einen Eingriff zur Revaskularisierung und 0,54 (0,42-0,69) für einen thromboembolischen Schlaganfall. Die Häufigkeit unerwünschter Wirkungen und die Adhärenz waren in beiden Gruppen gleich.

Empfehlung

Die Ergebnisse unterstreichen die Hypothese, dass sich die nächtliche Blutdrucksenkung stärker auf das Infarktrisiko auswirkt als eine Senkung über den Tag. Wenn es keinen Grund gibt, die Antihypertensiva zu einer bestimmten Tageszeit einzunehmen, sollten Patienten daher die abendliche Einnahme wählen.

Quelle:

Hermida RC et al. Bedtime hypertension treatment improves cardiovascular risk reduction: the Hygia Chronotherapy Trial. Eur Heart J. 2019;Oct 22. doi.org/10.1093/eurheartj/ehz754. [Epub ahead of print].

Bildnachweis: © iktash2 / Fotolia

6 Gedanken zu „Antihypertensiva abends einnehmen!“

  1. Auch das Arznei-Telegramm (AT) 12/19 hat diese Studie „im Blickpunkt“. Das AT hält diese Studie für mangelhaft und empfiehlt die TIME- Studie zur seleben Fragestellung abzuwarten……
    Und der Laie steht mal wieder zwischen den Stühlen! 🙁

    1. Immerhin hat das NIHR (National Institute for Health Research) aus dieser Studie ein „Signal“ generiert, weil es die Studie aufgrund ihrer Größe und Laufzeit für wertvoll hält. Sofern es keinen speziellen Grund gibt, ein 1x täglich anzuwendendes Antihypertensivum morgens einzunehmen (wie bei den Diuretika), macht man mit der abendlichen Einnahme wahrscheinlich mindestens nichts falsch.
      Danke auch für diesen Zusatz – es ist doch schön, wenn jemand kritisch liest, was wir aufschreiben! 🙂

  2. Der Einfluss der nächtlichen Blutdrucksenkung auf Durchblutungsstörungen (Glaukom, pAVK) wurde von Hermida et al. nicht beachtet; außerdem weist der Tagesgang des Blutdruckes meist mehrere Spitzen auf, die durch Einmalgabe (ob abends oder morgens) nicht ausreichend geglättet werden können.
    Also keine Faustregeln, sondern individuelle Einstellung anhand des Blutdruck-Tagesganges!
    Gruß, Malte Bickert

    1. Hallo Malte, das sind wichtige Ergänzungen. pAVK wurde mit ausgewertet, allerdings leider nur als Kompositendpunkt „Minor CVD events“, die von der abendlichen Gabe insgesamt profitierten, da wüsste man gern die aufgeschlüsselten Events. Daten zum Glaukom fehlen in der Tat.
      Herzlichen Gruß!

  3. Liebe Dorothee, mittlerweile gibt es ja auch nocht eine Stellungnahme zu dieser Studie. (Hoffentlich zitiere ich jetzt richtig: Arzneiverordnung in der Praxis, Jahrgang 47, 1-2 , 03/2020 S. 95- 97).Eine Kommentierung und Einschätzung deinerseits hierzu würde mich interessieren. Der „Gegner“ schreibt hier von Dippern und Non-Dippern und der Problematik der damit vielleicht zu hohen Nachtabsenkung (over- Dipping), die wiederum das Ischämie.Risiko bei KHK erhöht. Wird diese Diskussion zu „akademisch“ geführt oder kannst du daraus Fakten ablesen, die für die Praxis eventuell von Bedeutung wären?

    1. Lieber Thomas,
      der AVP-Artikel spricht von „beeindruckenden Vorteilen in patientenrelevanten kardiovaskulären Endpunkten bei der abendlichen Einnahme von Antihypertensiva im Vergleich zur morgendlichen Gabe. Vor einer generellen Umstellung der bisherigen Praxis sollte eine Bestätigung durch weitere Arbeiten erfolgen.“
      Wie immer gilt, Studienergebnisse sind anwendbar auf Patienten, die die Ein- und Ausschlusskriterien der Studie erfüllt hätten. Insofern können explizit keine Aussagen getroffen werden über Kinder, Schichtarbeiter, Schwangere, Patienten mit AIDS, sekundärer Hypertonie, instabiler Angina pectoris, Herzinsuffizienz, kritischer Arrhythmie, Vorhofflimmern, Nierenversagen oder Retinopathie 3. oder 4. Grades.
      Ich habe wenig methodische Kritik zu dieser Studie gefunden, außer, dass es eine rein spanische Studie, dass die Verteilung der antihypertensiven Stoffgruppen zwischen beiden Gruppen am Studienende nicht gleichmäßig und dass es eine open-label Studie war (allerdings nach dem PROBE design, das durchaus auch enerkannt ist). Ansonsten ist die Studie ein RCT mit 19.000 Patienten und mehrjährigem Follow-up, in dem eine Vielzahl möglicher Confounder erhoben wurde, wie im begleitenden Methodik-Artikel beschrieben. Die Fallzahlberechnung beruht auf plausiblen Annehmen, und die geplanten Fallzahlen sowie der anstrebte mediane Follow-up-Zeitraum wurden erreicht.
      Speziell zum Ischämie-Risiko: Auch hinsichtlich der Endpunkte koronare Revaskularisierungs-Eingriffe und Myokardinfarkt sowie Angina pectoris zeigte sich eine Risikoreduktion, keine Erhöhung. Und für Patienten mit pAVK zeigte die abendliche Gabe ebenfalls Vorteile. Für keine der erfassten Erkrankungen außer TIA enthielt das 95%-Konfidenzintervall die 1 – also alles hinreichend eindeutige Effekte.
      Es ist sicher ein erstaunlich großer Effekt, der die geübte Praxis der morgendlichen Gabe gegen den Strich bürstet. Andererseits gibt es aber zumindest Hypothesen, die den Unterschied durch das Timing erklären könnten, und Interessenkonflikte sind für mich nicht zu erkennen.
      Natürlich ist es zu begrüßen, dass sich noch weitere Studien dieser Frage widmen und über kurz oder lang die Evidenz verdichten werden.
      Bis dahin wird die Praxis sich wahrscheinlich in drei Teile spalten: die ganz Vorsichtigen, die erstmal nichts verändern, die Zuversichtlichen, die der Empfehlung folgen, und die in der Mitte, die eine Umstellung von morgens auf abends erst nach individuellem Blutdruckprofil empfehlen. Das muss jeder für sich bewerten.
      Herzliche Grüße!
      Dorothee
      PS Wer Lust sich auf ähnliche Art mit Studien zu beschäftigen, ist uns im Seminar „Medizinische Literaturrecherche und Arzneimittelinformation“ herzlich willkommen.

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