Eine wichtige unerwünschte Wirkung der Kortikosteroide, die u.a. in der Asthmatherapie ein zentraler therapeutischer Baustein sind, sind Osteoporose und Ermüdungsfrakturen. Welche Rolle spielen dabei der Applikationsweg, die Dosis und die Therapiedauer?
Die aktuelle Asthma-Leitlinie [1] empfiehlt bereits bei mildem Asthma die inhalative Anwendung eines Kortikosteroids, da Asthma zunehmend als inflammatorische und nicht als rein bronchokonstriktive Erkrankung verstanden wird. Systemische Kortikosteroide (niedrig dosiert, ≤7,5mg/d Prednison-Äquivalente) werden kurzzeitig bei schweren akuten Exazerbationen oder über längere Zeit bei schweren chronischen Verläufen eingesetzt.
Bei COPD werden inhalative Kortikosteroide lt. COPD-Leitlinie [2] nur bei hohem Risiko für Exazerbationen, erhöhten Eosinophilen-Konzentrationen und Asthma-COPD-Overlap angewandt. Die systemische Gabe ist akuten Exazerbationen vorbehalten. Eine längerfristige Anwendung ist nicht empfohlen.
Zwei kürzlich erschienene Studien sind der Frage nach Osteoporose und Frakturen nachgegangen. Hierfür wurden nationale Patienten-, Verordnungs- und Todesursachen-Register ausgewertet.
Die Asthma-Studie [3] basiert auf schwedischen, die COPD-Studie [4] auf britischen Daten. In beiden Fällen wurde eine Kohorte von Patienten mit der entsprechenden Indikation gebildet. Als Vergleich diente eine zweite Kohorte mit Patienten passenden Alters und Geschlechts, aber ohne Asthma bzw. COPD.
Asthma
Die Osteoporose-Inzidenz war in der Gruppe der Asthmapatienten [3] höher als in der Vergleichsgruppe (adjustiertes HR 1,18; 95%-Konfidenzintervall 1,13-1,23). Die Inzidenz von Frakturen war ebenfalls leicht erhöht (1;12; 1,07-1,16). Sowohl die systemische als auch die inhalative Anwendung von Kortikosteroiden erhöhten das Risiko für Osteoporose und Frakturen in Abhängigkeit von der Therapiedauer. Für die systemische Anwendung hatte die Gruppe mit der intensivsten Therapie ≥ 9 Verordnungen pro Patientenjahr erhalten, für die inhalative Anwendung waren dies ≥ 17 Verordnungen pro Patientenjahr. Gegenüber Asthmapatienten, die nicht mit Kortikosteroiden behandelt wurden, stieg durch intensive
- systemische Anwendung das adjustierte Hazard Ratio für
- Osteoporose auf 6,11 (entsprechend einem gut 6-fach erhöhten Risiko) und für
- Frakturen auf 1,46.
Für die
- inhalative Anwendung stieg das adjustierte Hazard Ratio für
- Osteoporose auf 10,66 und für
- Frakturen auf 6,15.
COPD
Auch COPD-Patienten [4] hatten ein erhöhtes Risiko für Osteoporose und Frakturen, selbst ohne die Anwendung von Kortikosteroiden. In dieser Studie wurde vor dem Hintergrund der o.g. Leitlinien-Empfehlungen nur die inhalative Anwendung erfasst. Alle ermittelten Endpunkte, d.h. Frakturen insgesamt, osteoporotische Frakturen, Diagnose einer Osteoporose sowie Verordnung von Osteoporose-Medikamenten, zeigten eine Dosisabhängigkeit. So stieg das Risiko für den Eintritt eines der genannten Endpunkte von 1 (Referenz, Patienten ohne Kortikosteroid-Therapie) über 1,27 unter niedrig dosierter auf 1,52 unter hoch dosierter Therapie.
Klinische Konsequenz
Insgesamt belegen die Studien also sowohl für inhalativ als auch systemisch angewandte Kortikosteroiden ein erhöhtes Risiko für UAW auf den Knochenstoffwechsel, das sowohl dosisabhängig als auch abhängig von der Therapiedauer ist. Die Nutzenseite wurde in keiner der beiden Studien erfasst. In der COPD ist der Nutzen begrenzt, so dass hier die Indikation streng gestellt werden sollte. Für Asthmapatienten hat sich dagegen in den vergangenen Jahren ein deutlicher Nutzen für die Kortikoide gezeigt. Hier liegt der Fokus daher eher auf der Vermeidung weiterer Risikofaktoren (Rauchen, Adipositas, Allergenexposition) sowie der rechtzeitigen Erkennung und Behandlung der Osteoporose.
Asthmapatienten, die wegen einer Kortikoidtherapie besorgt sind, sollten über den Nutzen und die Möglichkeiten aufgeklärt werden, den Risiken zu begegnen – beim Arzt wie in der Apotheke.
Quellen
[1] Global Initiative for Asthma: Global Strategy for Asthma Management and Prevention. Update 2021
[2] Global Initiative for COPD: Global Strategy for Prevention, Diagnosis and Management of COPD. Update 2021
[3] Chalitsios et al., 2021
[4] Janson et al., 2021
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